Bonn, den 9. April 2020
Covid-19: Luftfahrt zwischen Zäsur und Neustart.
von Rudolf (Rolf) Dörpinghaus, IASA
Mit Corona bekommt das Wort ‚Krise‘ eine neue Dimension: Humanitär. Wirtschaftlich. Sozial.
Und auch in der Luftfahrt. Was sich keiner vorstellen mochte, womit niemand gerechnet hat, ist plötzlich und unerwartet Realität geworden: Der nahezu völlige Stillstand im Luftverkehr.
Diese Krise ist anders. Nichts ist mehr wie es war. Innerhalb kürzester Zeit hat Covid-19 den Luftverkehr bis auf die Luftfracht nahezu komplett gegroundet. Was in der Aviation Community gestern noch wichtig war, verblasst heute vor einer einzigen Frage: Wie können wir diese Krise überstehen?
Wenn die Weltwirtschaft den Atem anhält, sich Grenzschließungen und Reisebeschränkungen allerorten zu überbieten scheinen, Airlines ihren Betrieb einstellen, mehr als 90% der Flugzeuge am Boden stehen und noch kein Ende des Stillstandes in Sicht ist, dann ist die Bedrohung absolut existenziell! Alles hängt nun davon ab, wie schnell es gelingt, die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen und die in der Folge drohende wirtschaftliche Rezession abzumindern.
Die letzten Tage und Wochen haben schmerzlich verdeutlicht, wie eingeschränkt eine Welt ohne das gewohnte Angebot des Luftverkehrs ist. Die Corona-Krise hat aber auch gezeigt, wie wichtig funktionierende Luftfrachtverbindungen für den Transport von dringend benötigten Hilfsgütern und natürlich auch zur Sicherung der Grundversorgung sind. Der Passage-Verkehr und die Geschäftsluftfahrt sind für das spätere Wiederhochfahren der Wirtschaft von ebenso entscheidender Bedeutung.
Luftverkehr braucht Flughäfen und Flugplätze. Auch hier brechen durch Corona Umsätze in kaum verkraftbarer Höhe weg. Dabei ist der Erhalt der Infrastruktur nicht allein für Daseinsfürsorge und Grundversorgung wichtig, sondern erst recht auch für die gesamtwirtschaftliche Erholung nach Überwindung der Pandemie. Hilfe benötigen aber auch die zahllosen KMUs und Dienstleister. Als wichtige Know-how-Träger sind sie unverzichtbar für eine funktionierende Luftverkehrswirtschaft.
Video-Konferenzen und Social Media werden nach der Krise eine noch größere Bedeutung haben. Mit ihrer vermehrten Nutzung steigt aber auch das Bedürfnis nach persönlicher Begegnung und echten Face-to-Face-Kontakten. Der Bedarf an Flugreisen wird damit weiter steigen, möglicherweise schneller als mancher heute glaubt.
Dennoch muss davon ausgegangen werden, dass die Zeit nach Covid-19 keine Rückkehr zum ‚business as usual‘ sein wird. Während sich der Luftverkehr nach Krisen üblicherweise schneller als die allgemeine Wirtschaft erholt und damit auch als Frühindikator für einen wirtschaftlichen Aufschwung dienen kann, muß jetzt aufgrund des global unterschiedlichen Pandemie-Verlaufs, strikter Quarantäne-Bestimmungen und einer Änderung des Reiseverhaltens mit einem eher langwierigen Recovery gerechnet werden.
Trotzdem sollte man das Vertrauen in den Nutzen und die Attraktivität der Luftfahrt nicht verlieren. Schließlich hat der Aufstieg des Weltluftverkehrs eine einfache Ursache: Die Menschen wollen fliegen! Und daran wird auch Covid-19 nichts ändern!
Schon vor Corona wurde die kommerzielle Luftfahrt von Krisen geschüttelt: Ungleiche Wettbewerbsbedingungen, einseitige Steuern, eine unzureichende Infrastruktur und der Mangel an politischer wie öffentlicher Unterstützung erschweren der Branche seit Langem, sich auf die eigentliche Herausforderung dieses Jahrhunderts einzustellen, den Klimaschutz. Jetzt kommen noch die Auswirkungen von Covid-19 und einer möglicherweise weltweiten Rezession hinzu.
Schlechte Zeiten sollte man nutzen, bessere vorzubereiten. Jetzt werden erst einmal Soforthilfen gebraucht, um das Überleben von Luftfahrtunternehmen sowie den Erhalt von Arbeitsplätzen und Infrastruktur zu sichern. Auch danach wird noch Unterstützung nötig sein, um Märkte und Streckennetze wiederzubeleben. Weil niemand sagen kann, wie lange es dauern wird, bis das Vor-Corona-Niveau im Luftverkehr wieder erreicht ist, sind Umsicht und Vertrauen in den ‚Spirit of Aviation‘ geboten. Vor allem gilt es, Panikreaktionen und irreversible Entscheidungen zu vermeiden.
Die aktuelle Zäsur sollte nicht zuletzt Anlass sein, die Zukunft des Luftverkehrs neu zu denken. Als das Netzwerk für globale Mobilität und den Transport von wertigen Gütern trägt die Luftfahrt heute direkt und indirekt entscheidend zur Wirtschaftsleistung in aller Welt bei. Für eine wirtschaftlich, sozial und ökologisch prosperierende Zukunft wird daher nicht weniger, sondern mehr Luftverkehr gebraucht!
Damit stellt sich weiterhin die Frage, wie die Klimaziele des Pariser Klimaabkommens im Luftverkehr erreicht werden können?
Fakt ist: Die Luftfahrt hat das Potenzial, dank EE-strombasierter Treibstoffe (PtL) und fortlaufender Fortschritte im Flugzeug- und Triebwerksbau weitgehend klimaneutral zu werden, nicht-CO2-bedingte Effekte eingeschlossen.
Fakt ist aber auch: Mit der Transformation zu weitgehender Klimaneutralität steht der Luftfahrt die mit Abstand größte Herausforderung erst noch bevor.
Um diese Jahrhundertaufgabe zu bestehen, sind nicht nur erhebliche Investitionen in immer effizienteres Fluggerät und innovative EE-strombasierteTreibstoffe, sondern auch verkehrspolitisch faire, wirtschaftspolitisch kluge und umweltpolitisch hilfreiche Rahmenbedingungen erforderlich.
Gebraucht wird eine wirtschaftlich starke Luftverkehrswirtschaft, die den Willen, die Fähigkeit und die Kraft zur Innovation hat.
Gebraucht werden insbesondere auch politische Entscheidungen, die das System Luftverkehr nicht künstlich schwächen, die Energiewende vorantreiben und einheitliche Rahmenbedingungen schaffen. Die EU sollte hier im Sinne des ‚Green Deal‘ eine Führungsrolle übernehmen. Dazu zählen die Zweckbindung der Einnahmen aus CORSIA und EU ETS zur Förderung der Innovation in der Luftfahrt wie auch eine klar terminierte Vorgabe zur schrittweisen Einführung von PtL-Treibstoffen.
Covid-19 hat die Welt verändert. Covid-19 wird auch den Blick auf die Luftfahrt und den drohenden Klimawandel verändern. Nachhaltigkeit wird damit mehr denn je zum Wettbewerbsfaktor, gerade auch im Luftverkehr.
So hart die Turbulenzen in der Luftfahrt auch sind, wenn wir nicht direkt aus der Corona- in die Klimakrise stürzen und einen drohenden ‚Klima-Hammer‘ vermeiden wollen, dann gilt es keine Zeit zu verlieren. Je entschlossener wir jetzt Kurs in Richtung klimaneutraler Zukunft setzen, desto besser wird es gelingen, die Folgen von Covid-19 für die Luftfahrt abzumildern, der Luftfahrt wieder Perspektive zu geben und 2020 zu einem nicht gänzlich verlorenen Jahr zu machen.
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Die gleichgewichtete Anwendung aller drei Dimensionen der Nachhaltigkeit, der Ökonomie, der Ökologie und dem sozial / gesellschaftliches Verhalten ist der Garant für eine positive Entwicklung der Luftfahrt auch in der Zukunft.
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